Symptome und Ursachen von Polyneuropathie

 

Polyneuropathie: Symptome & Ursachen

Polyneuropathie (PNP) ist eine der häufigsten neurologischen Erkrankungen und betrifft rund 3 % der Bevölkerung – in der Altersgruppe über 55 Jahren steigt die Häufigkeit sogar auf 8 %, bei über 70-Jährigen auf bis zu 10 %. Besonders Diabetiker sind gefährdet: Mehr als jeder Dritte der derzeit 7,5 Millionen Menschen mit Diabetes in Deutschland entwickelt im Laufe seines Lebens eine Neuropathie. Die Erkrankung schädigt gleichzeitig mehrere periphere Nerven – also die „Leitungen“ außerhalb von Gehirn und Rückenmark – und beginnt oft schleichend: Ein Kribbeln in den Zehen, brennende Fußsohlen oder Taubheitsgefühle wirken zunächst harmlos, können aber Deinen Alltag massiv beeinflussen. Im Folgenden erfährst Du nicht nur, welche Symptome ernst zu nehmen sind, sondern auch, welche Ursachen am häufigsten dahinterstecken – und warum frühes Handeln entscheidend ist. [1][2][3][4]

Definition & Einordnung

Das periphere Nervensystem funktioniert wie ein Telefonnetz zwischen Gehirn und Körper. Es umfasst motorische Nerven für Bewegung, sensible Nerven für Berührungs- und Schmerzempfinden sowie autonome Nerven für automatische Abläufe wie Verdauung oder Herzschlag. Autonom bedeutet: Diese Vorgänge laufen automatisch ab, ohne dass Du sie bewusst steuerst. Bei Polyneuropathie sind mehrere dieser „Leitungen“ beschädigt. Anders als bei einer Mononeuropathie (Schädigung eines einzelnen Nervs) oder einer Radikulopathie (Schädigung einer Nervenwurzel) handelt es sich bei der PNP um eine generalisierte Erkrankung mit vielen möglichen Erscheinungsbildern und Verläufen. [5][6][7][8]

Frühzeichen der Polyneuropathie

  • Typisch sind Kribbeln oder „Ameisenlaufen“, brennende Fußsohlen („Burning Feet“) und Taubheitsgefühle, die das Gehen „wie auf Watte“ erscheinen lassen.
  • Viele Betroffene beschreiben das Gefühl, unsichtbare Socken zu tragen.
  • Die Beschwerden verstärken sich vor allem nachts, wenn Du zur Ruhe kommst.
  • Auch der Verlust des Vibrationsempfindens – etwa wenn Du eine vibrierende Oberfläche nicht mehr spürst – ist ein wichtiges Warnsignal. [9][10]

Die Sprache der Nerven – Schmerzcharakteristika

Neuropathische Schmerzen sind besonders quälend: Sie können brennen, elektrisierend einschießen oder sich wie plötzliche Stromstöße anfühlen. Schon das Gewicht einer Bettdecke oder eine leichte Berührung kann starke Schmerzen hervorrufen. Das nennt man Allodynie – also Schmerzen durch eigentlich harmlose Reize. Werden ohnehin schmerzhafte Reize als besonders stark empfunden, spricht man von Hyperalgesie; ein kleines Pieksen kann sich dann wie ein starker Stich anfühlen. Diese Fehlsignale können Dich aus dem Schlaf reißen und Deinen Alltag massiv belasten. [11][12][13][14]

Sensorische, motorische und autonome Symptome

Sensorisch: Berührungs-, Schmerz- und Temperaturempfindungen können reduziert sein. Auch der Lagesinn ist oft gestört, und die Reflexe – besonders an der Achillessehne – sind abgeschwächt.

Motorisch: Polyneuropathie kann Muskelschwäche, sichtbaren Muskelabbau und Fußheberschwäche verursachen.

Autonom: Das autonome Nervensystem steuert Funktionen wie Kreislauf, Verdauung und Schweißproduktion. Bei einer PNP können Kreislaufprobleme beim Aufstehen, Verdauungsstörungen, Blasenprobleme oder verändertes Schwitzen auftreten. [15][5]

Wie Polyneuropathie Deinen Alltag verändert

Gangunsicherheit und ein um 87 % erhöhtes Sturzrisiko (Odds Ratio 1,87) machen Treppen oder unebene Wege gefährlich. Tätigkeiten, die früher selbstverständlich waren – Knöpfe schließen, ein Glas öffnen oder Kleingeld aufheben – erfordern plötzlich Konzentration. Gehen wird zu einem bewussten Akt, bei dem Du jeden Schritt überlegst. Die Schmerzen treten oft nachts auf und rauben Dir Schlaf. Wenig Schlaf bedeutet Erschöpfung, Reizbarkeit und kann sogar depressive Stimmungslagen fördern. [17][18]

Warum werden Nerven krank? – Häufigste Ursachen

Diabetes – Der stille Nervenkiller

Diabetes ist die häufigste Ursache von Polyneuropathie. Über Jahre hinweg kann erhöhter Blutzucker die Nervenfasern und ihre Mikrogefäße schädigen – vergleichbar mit verstopften Wasserleitungen. Mehr als 2,5 Millionen der 7,5 Millionen Diabetiker in Deutschland sind betroffen (35 %). Bereits 24 % der Menschen mit Prädiabetes zeigen Ausfälle. Bis zu 60 % der Diabetiker haben bei genauer Untersuchung Zeichen einer Nervenschädigung. [1][2][3][4]

Alkohol – Mehr als nur Leberschäden

Alkoholmissbrauch verursacht etwa 20 % aller PNP-Fälle in Deutschland. Er wirkt direkt nervenschädigend und verhindert die Aufnahme lebenswichtiger B-Vitamine (B1, B12), sodass den Nerven das „Baumaterial“ fehlt. [15][18]

Vitaminmangel und Organstörungen

Besonders Vitamin B12 und Vitamin B1 sind für gesunde Nerven wichtig. Ein Mangel kann Beschwerden auslösen. Auch Erkrankungen wie Nieren- oder Leberinsuffizienz sowie Schilddrüsenstörungen können die Nervenfunktionen beeinträchtigen. [19][20][21][5]

Weitere Ursachen

Autoimmunerkrankungen wie die chronisch inflammatorische demyelinisierende Polyneuropathie (CIDP), Infektionen wie Borreliose oder HIV, genetische Erkrankungen wie Charcot–Marie–Tooth oder paraneoplastische Prozesse können ebenfalls Auslöser sein. In etwa 25 % der Fälle bleibt die Ursache unbekannt (idiopathisch). [22][23][24][25]

Die versteckten Kosten der Polyneuropathie

Polyneuropathie belastet das Gesundheitssystem beträchtlich. Patienten mit Polyneuropathie verursachen im Schnitt ein Vielfaches der Behandlungskosten von Patienten ohne Nervenschäden. Bei schmerzhaften Verlaufsformen steigen die Kosten auf durchschnittlich 22.266 € pro Jahr, und auch die Arbeitsunfähigkeitstage nehmen deutlich zu – von 31,9 auf 39,6 Tage.

Diabetes und Deine Nerven – Eine besondere Beziehung

Das gefürchtete diabetische Fußsyndrom trifft etwa 2,6 Millionen Deutsche im Krankheitsverlauf. Jährlich werden ca. 50.000 Amputationen durchgeführt – 65 % bei Diabetikern. Experten schätzen, dass etwa die Hälfte dieser Amputationen vermeidbar wäre, wenn Verletzungen früh erkannt, Wunden konsequent behandelt, Blutzuckerwerte stabil gehalten und Patienten über Fußpflege sowie geeignetes Schuhwerk aufgeklärt werden. [26]

Verschiedene Typen der Polyneuropathie

Dicke und dünne Nervenfasern

Nerven sind wie Kabel verschiedener Dicke. Dicke Fasern übertragen Berührungs- und Bewegungssignale, dünne Fasern leiten Schmerz- und Temperaturempfindungen. Sind die dünnen Fasern betroffen, kommt es oft zu brennenden Schmerzen oder Temperaturempfindungsstörungen. Bei den dicken Fasern dominieren Gangunsicherheit und Reflexverluste. [31][32]

Langsam oder schnell – der Zeitfaktor

Polyneuropathien können sich langsam über Jahre entwickeln – wie ein Dach, das langsam undicht wird. Andere treten innerhalb weniger Wochen auf, vergleichbar mit einem Rohrbruch – diese akuten Formen sind Notfälle und müssen sofort ärztlich abgeklärt werden. [33]

Früherkennung kann Schlimmeres verhindern

Je früher eine Polyneuropathie erkannt wird, desto besser sind die Chancen, das Fortschreiten zu bremsen oder sogar zu stoppen. Kribbeln, Taubheitsgefühle oder nächtliche Fußschmerzen sollten nicht ignoriert werden. Bei Diabetes ist eine gute Blutzuckerkontrolle entscheidend. Auch die Reduktion von Alkohol und eine vitaminreiche Ernährung helfen, Deine Nerven zu schützen. [1][2]

Weiterlesen

Quellen

▼ Quellen anzeigen
  1. [1] RKI – Diabetes-Surveillance: Diabetische Polyneuropathie
  2. [2] diabetesDE – Mehr als jeder dritte Mensch mit Diabetes entwickelt eine Neuropathie
  3. [3] Gesund.bund.de – Polyneuropathie: Symptome und Behandlung
  4. [4] Pflege.de – Polyneuropathie: Formen, Symptome, Behandlung
  5. [5] Uniklinikum Dresden – Diagnostik Polyneuropathien (S1-Leitlinie, 2020)
  6. [6] MSD Manuals (DE) – Polyneuropathie
  7. [7] DocCheck Flexikon – Radikulopathie
  8. [8] BARMER – Polyneuropathie: Symptome & Behandlung
  9. [9] Springer Medizin – Polyneuropathie im Alter
  10. [10] AOK – Polyneuropathie – Symptome, Ursachen & Behandlung
  11. [11] Small Fiber Neuropathie Schweiz – Was ist die Small Fiber Neuropathie?
  12. [12] AMBOSS – Polyneuropathie
  13. [13] Bitzer-Sporttherapie – Senkt Polyneuropathie die Lebenserwartung?
  14. [14] CME-Kurs – Update Diabetische Neuropathie
  15. [15] Neurologen- & Psychiater im Netz – Alkoholmissbrauch führt zu Nervenschäden
  16. [17] NAI – Diabetes und diabetische Neuropathie – Zahlen & Fakten
  17. [18] DocCheck Flexikon – Alkoholische Polyneuropathie
  18. [19] IMD Berlin – Diagnostik des Vitamin-B12-Mangels
  19. [20] Labor München Zentrum – Vitamin B12, MMA, Holo-TC
  20. [21] DocCheck Flexikon – Vitamin-B12-Mangel
  21. [22] Orphanet – CIDP
  22. [23] Charité Berlin – Immunneuropathien
  23. [24] MSD Manuals (DE) – Guillain-Barré-Syndrom (GBS)
  24. [25] Springer Medizin – Red Flags führen auf die Spur
  25. [26] DDG – Diabetischer Fuß: Jede zweite Amputation unnötig
  26. [31] DocCheck Flexikon – Small-Fiber-Neuropathie
  27. [32] Sachau J. et al. – Small-Fiber-Neuropathien
  28. [33] HiToP Therapie – GBS als Polyneuropathie-Ursache
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    Obwohl RLS nicht heilbar ist, lassen sich die Symptome in der Regel gut lindern. Die Behandlung besteht aus mehreren Bausteinen: Zuerst wird nach möglichen auslösenden Ursachen geforscht, denn wenn Grunderkrankungen oder Mangelzustände vorliegen, sollten diese vorrangig behandelt werden. Oft bessern sich die unruhigen Beine bereits deutlich, wenn zum Beispiel ein Eisenmangel durch geeignete Eisenpräparate behoben wird oder eine Nierenschwäche adäquat therapiert wird. Auch Medikamente, die RLS begünstigen, wird der Arzt möglichst absetzen oder durch verträglichere Alternativen ersetzen. Parallel dazu kommen symptomlindernde Maßnahmen zum Einsatz. Hierbei wird zwischen nicht-medikamentösen und medikamentösen Behandlungen unterschieden, die oft kombiniert werden.

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