Teil 4: Nährstoffe essen statt schlucken

Teil 4: Nährstoffe essen statt schlucken

Was eine ausgewogene Ernährung leisten kann und worauf du bei Einkaufen achten solltest 

Manchmal steht man im Supermarkt vor dem Gemüse und denkt sich: Die Paprika sieht toll aus – zu Hause dann die große Enttäuschung, sie schmeckt nach gar nichts. Ist das überhaupt noch gesund? Sind da denn trotzdem Vitamine drin? Lohnt es sich, das Bio-Regal anzusteuern, oder ist eine Karotte eine Karotte – egal woher sie kommt? Solche Fragen stellen sich viele, die sich bewusster ernähren möchten. Vor allem, wenn Beschwerden wie schmerzende, irritierte Nerven oder entzündliche Gelenkprobleme das eigene Wohlbefinden regelmäßig einschränken. Denn klar ist: Nährstoffe spielen eine zentrale Rolle für unsere Muskeln, die Nerven und das Immunsystem. Aber wie viel von dem, was unser Körper braucht lässt sich realistisch über die Ernährung abdecken – und wann reicht das nicht mehr aus? In diesem Artikel werfen wir einen fundierten Blick auf genau diese Fragen: Was bedeutet „ausgewogen“? Was kannst du mit einfachen Mitteln erreichen? Und wie viel Mühe musst du dir machen, damit dein Körper bekommt, was er braucht?

Was bedeutet eigentlich „ausgewogen“ und wie erkenne ich, ob ich das erreiche?

Eine ausgewogene Ernährung versorgt deinen Körper mit allen wichtigen Makro- und Mikronährstoffen – also mit Energie (Kohlenhydraten, Fetten, Eiweiß), Vitaminen, Mineralien und sekundären Pflanzenstoffen. Sie sollte nicht nur möglichst vielfältig, sondern auch regelmäßig und nährstoffreich sein. Klingt gut – aber wie erkennt man, ob man wirklich auf dem richtigen Weg ist?

Laut der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) ist eine ausgewogene Ernährung vor allem eines: vielseitig. Es geht nicht um Dogmen oder strikte Regeln, sondern um ein dauerhaftes Essverhalten, das deinen Körper stabil mit allem versorgt, was er braucht. Ein Ernährungstagebuch kann helfen, um eigene Muster zu erkennen – aber auch ohne schriftliche Aufzeichnung gibt es gute Orientierung:

  • 5 Portionen Obst und Gemüse täglich (idealerweise bunt gemischt)

  • regelmäßig Vollkornprodukte, Hülsenfrüchte, Nüsse und pflanzliche Öle

  • tierische Produkte in Maßen (Milchprodukte täglich, Fleisch nur gelegentlich)

Wenn du deinen Teller anschaust, hilft dir eine einfache Einteilung: Die Hälfte sollte aus Gemüse oder Salat bestehen, ein Viertel aus Kohlenhydraten (wie Vollkorn oder Kartoffeln) und ein Viertel aus Eiweißquellen (z. B. Hülsenfrüchte, Fisch, Ei). Noch geht es mit dieser Regel: Iss täglich mindestens einmal etwas Frisches, etwas Warmes und etwas Rohes – also z. B. einen Apfel, eine Suppe und einen Rohkostsalat. Das klingt banal, aber schafft Vielfalt.

Was ebenfalls hilft: Nutze deine eigene Hand als Maß – 1 Handvoll Nüsse, 2 Hände Gemüse, 1 Handfläche Eiweiß. Wichtig ist auch: Nicht jede Mahlzeit muss perfekt sein. Es geht um dein Ernährungsmuster über mehrere Tage – nicht um Makellosigkeit auf dem Teller.

Wie viel müsste ich essen, um die wichtigsten Nährstoffe für Nerven & Muskeln zu decken?

Gerade bei Polyneuropathie, Restless Legs oder Erschöpfung spielt die Versorgung mit bestimmten Nährstoffen eine besondere Rolle – z. B. Magnesium, Eisen, B-Vitamine, Omega-3 oder Folsäure. Hier ezeigen wir dir ein paar alltagsnahe Beispiele – inklusive verschiedener Wege, wie du sie erreichen kannst. Wenn du dir unsicher bist, ob deine Ernährung deinem Alter und Gesundheitszustand entsprechend angemessen ist, kann es sinnvoll sein, professionelle Unterstützung in Anspruch zu nehmen – zum Beispiel bei einer Ernährungsberaterin, einem Hausarzt oder im Rahmen eines ärztlich begleiteten Blutchecks.  

Magnesium (ca. 300–400 mg/Tag)
Magnesium ist essenziell für die Muskelentspannung, die Reizweiterleitung zwischen Nervenzellen und die Entlastung des Stresssystems.

Möglichkeiten zur Deckung:

  • 1 Schale Haferflocken (60 g) = ca. 130 mg
  • 1 Handvoll Kürbiskerne (30 g) = ca. 250 mg
  • 500 ml magnesiumreiches Mineralwasser (z. B. über 100 mg/l) = bis zu 150 mg

Eisen (Frauen ca. 15 mg, Männer ca. 10 mg/Tag)
Eisen ist unentbehrlich für die Sauerstoffversorgung, Energieproduktion und bei RLS auch für die Bildung des Neurotransmitters Dopamin.

Pflanzlich etwas schwieriger, aber möglich:

  • 1 Portion Linsen (200 g gekocht) = ca. 7 mg
  • 1 Glas Orangensaft oder Paprika dazu → fördert Aufnahme
  • 1 Portion Hirse mit Beeren & Nüssen = ca. 4–5 mg + Magnesium & Zink

Vitamin B12 (ca. 4 µg/Tag)
Vitamin B12 unterstützt die Zellteilung und schützt die Hülle unserer Nervenfasern – ein Mangel kann sich in Taubheit, Kribbeln oder Erschöpfung zeigen.

Drei Beispiele:

  • 2 Eier = ca. 2 µg
  • 1 Glas Milch (250 ml) + 1 Joghurtbecher = ca. 2 µg
  • 1 Portion Seelachsfilet = ca. 2,5 µg

Vitamin D (ca. 800–1000 IE/Tag) Vitamin D spielt eine Rolle im Immunsystem, bei der Nervenleitung und beim Knochenstoffwechsel. Es kann kaum über Ernährung gedeckt werden – Ausnahme: fetter Fisch. Um den Tagesbedarf von rund 800 IE Vitamin D zu decken, müsstest du etwa 100 Gramm fetten Seefisch wie z.B. Lachs essen. Doch selbst das reicht im Winter oft nicht aus, denn die Hauptquelle für Vitamin D ist nicht das Essen – sondern die körpereigene Bildung über Sonnenlicht. Gerade in der dunklen Jahreszeit ist ein Mangel daher weit verbreitet.

Folsäure (300–400 µg/Tag)
Folsäure ist wichtig für die Zellneubildung, das Nervensystem und die Blutbildung – besonders relevant bei erhöhtem Bedarf oder Mangel.

Deckbar durch:

  • 100 g Spinat gekocht = ca. 140 µg
  • 1 Portion Brokkoli (150 g gegart) = ca. 100 µg
  • 1 Schale Feldsalat + 1 EL Sonnenblumenkerne = ca. 70 µg.

Für viele Menschen ist es durchaus realistisch, solche Portionen im Laufe der Woche regelmäßig zu integrieren – insbesondere, wenn Salate oder grüne Gemüse fester Bestandteil der Ernährung sind. Wer jedoch selten kocht oder häufig zu Fertigprodukten greift, wird diese Werte im Alltag eher schwer erreichen. Entscheidend ist dabei die Regelmäßigkeit: Wer mehrmals pro Woche bewusst zu grünen Blattgemüsen, Hülsenfrüchten und Samen greift, kann seinen Bedarf gut decken – ganz ohne Supplemente.

Omega-3-Fettsäuren (DHA/EPA, 250–500 mg/Tag)
Diese mehrfach ungesättigten Fettsäuren wirken entzündungsregulierend, unterstützen die Nervenzellmembranen und helfen der Gefäßgesundheit.

  • 1–2 Portionen fetter Fisch/Woche (z. B. Lachs, Makrele)
  • oder: 1 EL Algenöl täglich (bei pflanzlicher Ernährung)

Hinweis: Ob du Lachs aus Zucht, Wildfang oder konventioneller Aquakultur kaufst, kann durchaus Einfluss auf den Omega-3-Gehalt haben. Studien zeigen, dass Wildlachs tendenziell höhere Anteile an EPA und DHA enthält als Zuchtlachs – allerdings schwankt dieser Gehalt auch je nach Fütterung und Herkunft. Zuchtlachs aus nachhaltiger Aufzucht mit Omega-3-reichem Futter kann durchaus vergleichbare Werte erreichen. Auch das Verhältnis von Omega-3- zu Omega-6-Fettsäuren ist ein Qualitätsmerkmal: Während Wildlachs oft ein günstigeres Verhältnis aufweist, kann es bei konventionell gezüchtetem Lachs durch stärkere Zufütterung von Getreide und pflanzlichen Ölen verschoben sein. Wer auf Nummer sicher gehen will, greift zu zertifizierten Produkten (z. B. mit MSC- oder Bio-Siegel) oder weicht auf pflanzliche Quellen wie Algenöl aus, die standardisierte Mengen an DHA und EPA liefern.

Was lässt sich über die Ernährung gut decken – und was eher nicht?

Die gute Nachricht: Viele Vitamine und Mineralstoffe kannst du mit einer durchdachten, abwechslungsreichen Ernährung gut abdecken. Dazu gehören z. B. Vitamin C, B1, B6, K, Magnesium, Kalium, Zink oder sekundäre Pflanzenstoffe. Letztere sind bioaktive Inhaltsstoffe in Obst, Gemüse, Kräutern und Getreide – sie wirken antioxidativ, zellschützend und können Entzündungen bremsen.

Etwas schwieriger wird es bei:

  • Vitamin D: Fast nicht über die Nahrung deckbar. In Herbst/Winter oft supplementieren.

  • Vitamin B12: Nur in tierischen Produkten enthalten – bei vegetarisch/veganer Ernährung meist notwendig zu ergänzen.

  • Omega-3 (EPA/DHA): Nur in Fisch/Algen – Leinöl & Co. enthalten nur Vorstufen (ALA), Umwandlung im Körper ineffizient.

  • Eisen: Pflanzlich deckbar, aber aufwändig und mit vielen „Hemmstoffen“ verbunden (Tee, Kaffee, Phytate).

Vor allem bei chronischen Erkrankungen, höherem Alter oder eingeschränkter Verdauung kann es sinnvoll sein, bestimmte Werte (z. B. B12, Ferritin, 25-OH-D3) regelmäßig kontrollieren zu lassen.

Ist Möhre gleich Möhre? Eine Frage der Qualität

Hier kommt die bittere Wahrheit auf den Tisch: Die Qualität eines Lebensmittels beeinflusst nicht nur seinen Geschmack, sondern auch seinen Nährstoffgehalt. Studien zeigen z. B., dass bestimmte Bio- oder Demeter-Produkte mehr sekundäre Pflanzenstoffe enthalten können – etwa Polyphenole oder Flavonoide, die antioxidativ wirken. Eine Analyse aus dem Jahr 2014 (Baranski et al., British Journal of Nutrition) ergab, dass Bio-Gemüse im Durchschnitt einen höheren Gehalt an antioxidativen Pflanzenstoffen aufweist als konventionell erzeugte Ware. Auch eine systematische Übersichtsarbeit aus dem Jahr 2020 (Średnicka-Tober et al., Molecules) bestätigt höhere Konzentrationen von Polyphenolen in ökologisch produzierten Lebensmitteln. Gleichzeitig ist der Unterschied bei den Vitamingehalten oft nicht riesig – entscheidender ist: Wie lange wurde das Gemüse gelagert? Wie weit wurde es transportiert? Wurde es reif geerntet oder unreif und nachgereift? Ein Apfel aus der Region, der direkt vom Baum kommt, enthält mehr Vitamin C als eine Lagerware aus Übersee – selbst wenn beide „Bio“ sind. Und aromatischere Sorten gehen häufig mit einem höheren Gehalt an sekundären Pflanzenstoffen einher. Was du schmeckst, ist also nicht egal – es kann ein direkter Hinweis auf die Qualität des Lebensmittels sein. Viele sekundäre Pflanzenstoffe sind nämlich direkt geschmackswirksam: Bitterstoffe, Senföle oder aromatische Verbindungen geben vielen Kräutern und Gemüsen (z. B. Rucola, Radicchio, Brokkoli oder Wildkräuter) ihren typischen Geschmack. Ein besonders intensives Aroma kann deshalb auch ein Zeichen für einen höheren Gehalt dieser wertvollen Stoffe sein – und damit ein Hinweis auf gesundheitlichen Mehrwert.

Ein weiterer nicht zu unterschätzender Aspekt ist die Rückstandsbelastung: In konventionell angebauten Lebensmitteln können Pestizide, Fungizide oder Herbizide zurückbleiben, die langfristig problematisch für die Gesundheit sein können – insbesondere bei häufiger Aufnahme oder bei empfindlichen Personen. Bio- und Demeter-Produkte unterliegen hier strengeren Auflagen und schneiden in Rückstandskontrollen meist besser ab. Hinzu kommt: Je strenger das Bio-Siegel, desto nachhaltiger ist in der Regel auch die Anbaumethode. Während EU-Bio bereits auf chemisch-synthetische Pflanzenschutzmittel verzichtet, geht Demeter noch weiter – etwa mit strengeren Richtlinien für Bodenfruchtbarkeit, Tierhaltung und Biodiversität. Das macht diese Produkte nicht nur oft nährstoffreicher, sondern auch klimafreundlicher.

Clever kombiniert: Wie du aus deiner Ernährung noch mehr herausholst

Manche Stoffe brauchen Verstärkung, andere werden durch bestimmte Kombinationen gehemmt. Hier ein paar neue (und vielleicht weniger bekannte) Kombitipps:

  • Karotten + Öl = Carotinoide brauchen Fett zur Aufnahme
  • Hirse + Paprika = Eisen + Vitamin C
  • Hafer + Joghurt = Beta-Glucane + Calcium → gut für Darm & Knochen
  • Brokkoli + Senfsamen = aktiviert Sulforaphan, ein antioxidativ wirksamer Pflanzenstoff

Zu vermeiden sind Lebensmittelkombinationen, die sich gegenseitig negativ in der Nahrungsverwertung beeinflussen:

  • Kaffee oder schwarzer Tee direkt zur Mahlzeit hemmt die Eisenaufnahme
  • Große Mengen Milchprodukte können die Zinkaufnahme aus pflanzlicher Kost erschweren

Tipp: Lass zwischen Kaffee und eisenreichem Essen 1–2 Stunden Abstand. Und gönn dir ein paar Tropfen Zitronensaft über den Salat – das hilft nicht nur beim Geschmack, sondern auch bei der Nährstoffaufnahme.

Fazit: Mehr erreichen – ohne zu zählen

Eine ausgewogene Ernährung bedeutet nicht, alles perfekt zu machen. Aber wer regelmäßig frisch, bunt, saisonal und bewusst isst, versorgt sich meist besser als gedacht. Viele der für Nerven und Immunsystem wichtigen Nährstoffe – wie Magnesium, einige B-Vitamine oder sekundäre Pflanzenstoffe – sind durch einfache, natürliche Lebensmittel gut abdeckbar. Andere – wie Vitamin D oder B12 – können unter bestimmten Umständen knapp werden und lassen sich dann gezielt ergänzen. Du musst keine Kalorien zählen oder Tabellen führen. Aber du kannst dich daran orientieren, was dein Körper wirklich braucht – und das beginnt oft nicht im Labor, sondern auf dem Teller. Schon kleine Veränderungen beim Einkaufen und Kochen können helfen, dich langfristig besser zu fühlen.

In Teil 5 unserer Serie schauen wir auf pflanzliche Mittel mit pharmakologischer Wirkung: Curcumin, Johanniskraut, Weihrauch und Co. – was steckt dahinter, was ist Mythos, was ist belegt?

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