Teil 2: Nahrungsergänzung bei Restless Legs gezielt angehen

Teil 2: Nahrungsergänzung bei Restless Legs gezielt angehen

Was Eisen, Vitamin D & Co. bei Restless Legs wirklich bringen

Wer unter dem Restless-Legs-Syndrom (RLS) leidet, kennt das Gefühl: Kaum ist der Tag geschafft, du willst zur Ruhe kommen und dein Körper spielt verrückt. Kribbeln, Ziehen, Zucken, ein innerer Drang, dich zu bewegen. Entspannung wird zur Qual. Und mit ihr der Versuch in den Schlaf zu finden. Oft beginnt dann eine Reise durch Arztpraxen, Internetforen und Drogerieregale – auf der Suche nach Linderung. Viele landen früher oder später bei Nahrungsergänzungsmitteln: Eisen, Magnesium, Vitamin D oder Folsäure gelten als Hoffnungsträger. Doch was davon hilft deinem Körper wirklich und was ist nur teuer? In diesem Artikel möchten wir dir einen Überblick geben: Was sagt die Forschung? Welche Nährstoffe sind tatsächlich mit dem RLS-Syndrom verbunden? Und wie kannst du gezielt – statt auf Verdacht – vorgehen? Denn: Nahrungsergänzung kann Teil der Lösung sein. Aber sie ist kein Allheilmittel.

Was steckt hinter den Restless Legs?

Das Restless-Legs-Syndrom gehört zu den häufigsten neurologischen Erkrankungen. Schätzungen zufolge sind etwa 5–10 % der Bevölkerung betroffen, Frauen etwas häufiger als Männer. Die Ursachen sind noch nicht vollständig geklärt, doch vieles deutet auf eine gestörte Regulation des Botenstoffs Dopamin im Gehirn hin. Dieser Neurotransmitter ist unter anderem für Bewegungsabläufe und Impulssteuerung zuständig – gerät er aus dem Gleichgewicht, kann es zu den typischen Unruhesymptomen kommen. Doch Dopamin entsteht nicht aus dem Nichts. Damit der Körper diesen wichtigen Neurotransmitter herstellen kann, ist er auf eine Reihe von Nährstoffen angewiesen – und Eisen spielt dabei eine besonders zentrale Rolle. Es hilft dem Körper bei einem entscheidenden Schritt: der Umwandlung der Aminosäure Tyrosin in L-Dopa – die direkte Vorstufe von Dopamin. Ist zu wenig Eisen vorhanden, kann dieser Prozess verlangsamt oder sogar blockiert werden – mit Folgen für die Dopaminversorgung im Gehirn. Studien belegen, dass vor allem im Zentralnervensystem (etwa im Thalamus und in der Substantia nigra) bei RLS-Patient:innen ein Eisenmangel vorliegen kann, selbst wenn die Eisenwerte im Blut noch im Normbereich liegen (Earley et al., 2000).

Eisen beeinflusst nicht nur die Dopaminbildung, sondern auch die Empfindlichkeit der Rezeptoren im Gehirn, an denen Dopamin andockt. Ein Mangel kann daher sowohl die Produktion als auch die Wirkung dieses wichtigen Botenstoffs beeinträchtigen. Diese Erkenntnisse erklären, warum Eisen bei RLS ein so prominenter Faktor ist. Doch es ist nicht der einzige: Auch andere Mikronährstoffe – etwa Vitamin D, Magnesium, Folsäure oder B12 – tragen indirekt zur Stabilisierung dopaminerger Prozesse und der allgemeinen Nervenfunktion bei. Genau diese Zusammenhänge schauen wir uns im Folgenden näher an.

Eisen – das Schlüsselmineral bei RLS

Eisen ist das am besten untersuchte Spurenelement im Zusammenhang mit Restless Legs. Studien zeigen: Viele RLS-Patient:innen haben einen erniedrigten Eisenspeicher, selbst wenn der Hämoglobinwert im Blut noch normal ist. Besonders der Ferritinwert, der die Eisenspeicher im Körper abbildet, ist entscheidend. Eine wichtige Studie von Allen et al. (2013) zeigte, dass RLS-Beschwerden häufig bei Ferritinwerten unter 75 µg/l verstärkt auftreten – obwohl der medizinische Grenzwert für einen Eisenmangel oft deutlich niedriger angesetzt wird. Die Forscher empfehlen deshalb, bei RLS-Patient:innen bereits ab Ferritinwerten unter 75 eine Eisensubstitution zu erwägen – nach Rücksprache mit Ärzt:innen, versteht sich. Interessant ist: Auch wenn die Eisenwerte im Blut normal sind, kann es im Gehirn dennoch zu einem Mangel kommen. Der Grund dafür liegt in der besonderen Struktur der Blut-Hirn-Schranke, die den Zugang vieler Substanzen – auch von Eisen – ins zentrale Nervensystem streng reguliert. Studien von Earley et al. (2000) und Connor et al. (2003) zeigen, dass bei RLS-Patient:innen Veränderungen in den Eisen-Transportmechanismen und eine reduzierte Eisenkonzentration in bestimmten Hirnregionen (z. B. Substantia nigra) vorliegen. Das bedeutet, ein normaler Blutwert schließt einen Eisenmangel im Gehirn nicht aus. Deshalb wird bei RLS häufig ein höherer Ferritin-Zielwert (≥75 µg/l) empfohlen als in anderen Situationen. 

Die Einnahme von Eisenpräparaten sollte dennoch nicht auf Verdacht erfolgen. Denn zu viel Eisen kann schaden – etwa Leber und Stoffwechsel belasten. Wichtig ist eine gezielte Diagnostik über ein großes Blutbild und idealerweise die Bestimmung von Ferritin, Transferrinsättigung und CRP (Entzündungswert), da akute Entzündungen den Ferritinwert verfälschen können. Wer eine Eisensubstitution beginnt, sollte Geduld mitbringen: Je nach Präparat und Ausgangswert kann es 4–12 Wochen dauern, bis sich eine spürbare Verbesserung einstellt. Eine Kontrolle der Werte nach ca. 8 Wochen ist empfehlenswert, um Über- oder Unterversorgung zu vermeiden.

Magnesium – für Ruhe in Muskeln und Nerven

Magnesium ist für viele Betroffene fast schon ein „natürlicher Reflex“. Es ist bekannt für seine entspannende Wirkung auf Muskeln, spielt aber auch eine Rolle bei der Reizweiterleitung in Nerven und im Schlaf-Wach-Rhythmus. Studien zur Wirkung bei RLS sind allerdings uneinheitlich. Eine kleine Studie von Hornyak et al. (1998) mit RLS-Patient:innen zeigte, dass Magnesiumpräparate bei einigen die Einschlaflatenz verkürzen und die Schlafqualität verbessern konnten. Der Effekt war eher mild, aber subjektiv spürbar. Eine klare Empfehlung für alle lässt sich daraus nicht ableiten – doch bei gleichzeitigen Muskelkrämpfen, innerer Unruhe oder Einschlafstörungen kann Magnesium ein sinnvoller Baustein sein. Bei ausreichender Dosierung und täglicher Einnahme berichten viele Betroffene über eine Besserung innerhalb von 2 bis 4 Wochen.

Wichtig ist auch hier die Form: Magnesiumcitrat oder -glycinat gelten als besser verträglich und bioverfügbar als z. B. Magnesiumoxid. Die Einnahme abends, am besten zusammen mit oder kurz nach einer kleinen Mahlzeit, ist für viele am verträglichsten.

Vitamin D – unterschätzt bei Schlaf und Nerven

Vitamin D wird meist mit Knochen und Immunabwehr in Verbindung gebracht – doch es beeinflusst auch das Nervensystem. Es moduliert Entzündungen, beeinflusst den Serotonin-Stoffwechsel (ein Vorläufer von Melatonin, dem „Schlafhormon“) und scheint auch bei RLS eine Rolle zu spielen. Eine Studie von Wali et al. (2015) zeigte, dass RLS-Patient:innen mit niedrigem Vitamin-D-Spiegel deutlich stärkere Beschwerden hatten als solche mit ausreichender Versorgung. Eine Ergänzung bei nachgewiesenem Mangel führte bei vielen zu einer Besserung der Symptomatik. Auch eine Studie von Wu et al. (2018) kommt zu einem ähnlichen Ergebnis: Vitamin D könnte über seine Wirkung auf den dopaminergen Stoffwechsel einen schützenden Einfluss haben.

Wichtig auch hier: Eine Ergänzung sollte nur bei nachgewiesenem Mangel erfolgen – idealerweise über eine Blutuntersuchung des 25(OH)D-Spiegels. Werte unter 30 ng/ml gelten als suboptimal, unter 20 ng/ml als deutlich mangelhaft. Studien deuten darauf hin, dass sich bei korrekt dosierter Substitution innerhalb von 4 bis 8 Wochen eine spürbare Veränderung zeigen kann. – idealerweise über eine Blutuntersuchung des 25(OH)D-Spiegels. Werte unter 30 ng/ml gelten als suboptimal, unter 20 ng/ml als deutlich mangelhaft.

Folsäure – traditionell bei RLS im Gespräch

Folsäure (Vitamin B9) ist in der Schulmedizin weniger prominent vertreten als Eisen oder Vitamin D, wird aber in älteren Veröffentlichungen und Erfahrungsberichten häufig erwähnt – insbesondere bei schwangeren Frauen, bei denen Folsäuremangel und RLS gehäuft zusammen auftreten. Die Rolle von Folsäure ist biochemisch plausibel: Es ist beteiligt an Zellteilung, Blutbildung und Nervenfunktion. Eine ältere Studie von Sharma et al. (1992) zeigte, dass bei einer kleinen Gruppe von RLS-Patient:innen unter Folsäuresubstitution eine Besserung der Symptome eintrat. Weitere große Studien fehlen bislang – trotzdem wird Folsäure in der Praxis oft ergänzend eingesetzt, vor allem wenn ein Mangel (z. B. bei bestimmten Medikamenten oder bei erhöhtem Bedarf) vermutet wird. 

Da es kaum aktuelle Studien mit konkreten Zeitangaben gibt, liegen bislang keine gesicherten Erfahrungswerte darüber vor, wie schnell sich unter Folsäureeinnahme eine Wirkung zeigt. In der Praxis berichten manche Betroffene über eine leichte Besserung nach mehreren Wochen, bei anderen bleibt die Wirkung aus. Deshalb gilt auch hier: Eine ergänzende Einnahme sollte nur bei labordiagnostisch festgestelltem Mangel und unter ärztlicher Begleitung erfolgen.

Vitamin B12 – unterschätzt, aber wichtig

Vitamin B12 ist entscheidend für die Bildung der Myelinschicht, die unsere Nerven schützt – und für die gesunde Funktion des zentralen Nervensystems. Ein Mangel kann zu Missempfindungen, Unruhe und Kribbeln führen – also Symptomen, die sich mit RLS überlappen. Zwar gibt es keine großen klinischen Studien, die B12 als spezifisches Mittel gegen RLS belegen. Doch Fallberichte – etwa von O’Keeffe (1994) – deuten darauf hin, dass bei einem diagnostizierten B12-Mangel RLS-ähnliche Beschwerden deutlich zurückgehen können.

Auch hier gilt: Ein Mangel sollte ärztlich festgestellt werden – gerade bei älteren Menschen, bei Einnahme von Magensäureblockern oder bei pflanzenbasierter Ernährung. Eine Wirkung stellt sich oft nicht sofort ein – bei konsequenter Einnahme kann es aber innerhalb von 6 bis 12 Wochen zu einer Besserung kommen, wenn tatsächlich ein Defizit vorlag.

RLS behandeln heißt: Systemisch denken

Nahrungsergänzungsmittel können bei Restless Legs helfen – aber sie sind selten allein die Lösung. Gerade bei einem komplexen Krankheitsbild wie RLS spielen viele Faktoren eine Rolle. Deshalb lohnt es sich, den Blick zu weiten und nicht nur auf Tabletten zu schauen. Drei begleitende Ansätze haben sich in Studien und Erfahrungsberichten besonders bewährt:

1. Ernährung Eine ausgewogene, möglichst vollwertige Ernährung mit reichlich grünem Gemüse, Hülsenfrüchten, Vollkornprodukten und gesunden Fetten kann die Nervenfunktion unterstützen. Tierische Lebensmittel liefern gut verfügbares Eisen und Vitamin B12. Koffein, Alkohol und Zucker am Abend können RLS-Symptome verstärken – hier hilft es, selbst zu beobachten.

2. Bewegung Regelmäßige Bewegung – besonders moderate Ausdauerbelastung und Dehnübungen – hilft vielen Betroffenen. Wichtig ist: nicht übertreiben, sondern konstant bleiben. Studien (z. B. Aukerman et al., 2006) zeigen, dass gezielte Bewegung die Intensität der Beschwerden deutlich senken kann.

3. Schlafhygiene Ein geregelter Schlaf-Wach-Rhythmus, Bildschirmpausen vor dem Zubettgehen und eine ruhige Schlafumgebung sind essenziell. Auch Entspannungsübungen wie progressive Muskelentspannung oder Atemtechniken können helfen, das Einschlafen zu erleichtern.

Was Betroffene berichten

Viele unserer Leser:innen, Patient:innen oder Mitglieder der NERVENsache-Gruppe berichten, dass die Kombination aus gezielter Substitution und Lebensstilveränderung ihnen am meisten hilft. Einige konnten mit Eisen oder Magnesium deutlich besser einschlafen. Andere merkten erst nach einer Umstellung der Schlafgewohnheiten eine Besserung. „Mir hilft kein Präparat allein – aber wenn ich mich abends dehne, warm bade und Kaffee nur morgens trinke, dann ist es deutlich erträglicher“, berichtet ein Mitglied. Andere nennen als Auslöser bestimmte Süßigkeiten, vor allem Vollmilchschokolade – nur Zartbitterschokolade ab 80 % wird von vielen besser vertragen. Auch Lakritze wird kritisch erwähnt und bei manchen führen sogar Nüsse zu einer Verstärkung der Beschwerden, obwohl keine Allergie festgestellt wurde. Was genau deinen Körper also triggert, scheint individuell sehr verschieden zu sein. Ein einfaches Ernährungs- und Symptomtagebuch kann dabei helfen, persönliche Muster zu erkennen und deinen persönlichen Ernährungsplan zu optimieren. 

Mehr zum Thema: Du bist dir unsicher, ob du ein Präparat wirklich brauchst – oder wie du den Überblick behältst? Dann schau dir unseren Magazinartikel „Brauche ich das wirklich?“ – 5 Fragen, die du dir vor jedem Supplement stellen solltest an. Dort findest du eine verständliche Checkliste zur Selbstreflexion.

Wichtiger Hinweis: Dieser Artikel ersetzt keine medizinische Diagnose oder persönliche Beratung. Nahrungsergänzungsmittel sollten nie ohne Rücksprache dauerhaft eingenommen werden – insbesondere bei bestehenden Erkrankungen oder wenn du Medikamente nimmst.

Fazit: gezielt statt gut gemeint

Restless Legs ist eine vielschichtige Erkrankung. Umso wichtiger ist es, nicht vorschnell zu handeln – sondern strukturiert und mit einem klaren Plan. Nahrungsergänzung kann ein Baustein sein, aber niemals die ganze Lösung. Besonders Eisen, Vitamin D und B12 stehen im Fokus – doch welche Nährstoffe tatsächlich fehlen, ist individuell verschieden und sollte nicht geraten, sondern gemessen werden. Wenn du unter RLS leidest, lohnt sich ein genauer Blick: auf deine Blutwerte, auf deine Ernährung, deine Schlafgewohnheiten und Alltagsroutinen. Es geht nicht darum, alles perfekt zu machen – sondern deinen Körper besser zu verstehen. Denn manchmal ist es nicht die eine Kapsel, die alles verändert, sondern das Zusammenspiel aus kleinen, konsequenten Anpassungen. 

Lass dich beraten, frag nach, mach dich schlau – und hab Geduld mit dir. Der Weg zur Linderung ist selten linear, aber er ist möglich. Sprich mit deiner Ärztin, deinem Arzt oder einer gut ausgebildeten Ernährungsfachkraft. Gemeinsam könnt ihr klären, was deinem Körper wirklich fehlt – und wie du gezielt unterstützen kannst. Denn: Je besser du deinen Körper kennst, desto leichter fällt es, gute Entscheidungen zu treffen. Und genau darum geht es am Ende. In unserer Facebook-Gruppe diskutieren wir übrigens gerade genau dieses Thema: Was hilft euch? Was war überflüssig? Und welche Kombinationen machen für dich den Unterschied? Wir freuen uns, wenn du deine Erfahrung teilst!

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