Das innere Ökosystem

Das innere Ökosystem

Was dein Mikrobiom über dein Wohlbefinden verrät und warum auch deine Nerven mitreden

Hast du dich schon einmal gefragt, warum sich dein ganzer Körper manchmal aus dem Gleichgewicht anfühlt – obwohl du "nur" Verdauungsprobleme hast? Oder weshalb sich nach einer Antibiotikatherapie plötzlich dein Schlaf verschlechtert, deine Haut irritiert wirkt oder deine Stimmung schwankt? Die Erklärung dafür liegt oft tiefer, als man denkt – genauer gesagt: im Mikrobiom deines Darms. Unser Körper ist ein faszinierendes Zusammenspiel aus menschlichen Zellen und Mikroorganismen – tatsächlich beherbergen wir zehnmal mehr Bakterien als eigene Zellen. Dieses komplexe Ökosystem, das wir Mikrobiom nennen, ist kein kurzlebiger Trend, sondern ein elementarer Bestandteil unserer Gesundheit. Es beeinflusst nicht nur, wie gut wir Nährstoffe aufnehmen oder wie stark unser Immunsystem arbeitet – sondern auch, ob Entzündungen entstehen, wie stabil unsere Stimmung ist und ob wir gut schlafen. Besonders für Menschen mit chronischen Nervenerkrankungen wie Polyneuropathie oder Restless Legs, mit rheumatischen Erkrankungen oder Magen-Darm-Beschwerden spielt das Mikrobiom oft eine entscheidende Rolle. In diesem Artikel tauchen wir ein in die Welt der Mikroben: Du erfährst, was das Mikrobiom eigentlich ist, welche Aufgaben es erfüllt, wie es mit deinem Nervensystem kommuniziert – und was passiert, wenn dieses sensible Gleichgewicht gestört wird. Du bekommst außerdem ein besseres Gespür dafür, welchen Einfluss es auf chronische Beschwerden haben kann, und woran du erkennst, wenn dein inneres Ökosystem aus der Balance geraten ist.

Was ist das Mikrobiom eigentlich?

Das Mikrobiom bezeichnet die Gesamtheit aller Mikroorganismen, die unseren Körper besiedeln. Die größte Dichte finden wir dabei im Darm: Dort leben bis zu 100 Billionen Bakterien, aber auch Viren, Pilze und Archaeen. Gemeinsam wiegen sie rund 1,5 Kilogramm – mehr als unser Gehirn. Jeder Mensch hat ein individuelles Mikrobiom, das sich im Laufe des Lebens durch Geburt, Stillen, Antibiotika, Ernährung und Umweltbedingungen entwickelt. Man spricht daher auch vom „Darmfingerabdruck“. Schon bei der Geburt wird der Grundstein gelegt: Babys, die auf natürlichem Wege geboren werden, nehmen erste Bakterien aus dem Geburtskanal auf. Bei einem Kaiserschnitt fehlen diese initialen Mikroben häufig. Auch ob ein Kind gestillt oder mit der Flasche ernährt wird, kann die Mikrobiota langfristig prägen. Studien zeigen, dass frühe Antibiotikagaben ebenfalls langfristige Auswirkungen auf die Zusammensetzung des Mikrobioms haben können.

Welche Aufgaben übernimmt das Mikrobiom?

Ein gesundes Mikrobiom ist wie ein gutes Orchester: Nur wenn alle Instrumente im Einklang spielen, entsteht Harmonie. Es unterstützt die Verdauung, etwa indem bestimmte Ballaststoffe nur mithilfe von Darmbakterien aufgespalten werden können. Dabei entstehen kurzkettige Fettsäuren wie Butyrat, die die Darmschleimhaut schützen und Entzündungen entgegenwirken. Zudem trägt das Mikrobiom zur körpereigenen Produktion bestimmter Vitamine bei – zum Beispiel Vitamin K und einige B-Vitamine. Diese Synthese kann beeinträchtigt sein, wenn das Gleichgewicht der Bakterien gestört ist. Darüber hinaus trainiert das Mikrobiom unser Immunsystem – etwa 70 Prozent der Immunzellen sitzen im Darm. Es schützt uns, indem „gute“ Keime krankmachende verdrängen und so wie Bodyguards an der Schleimhaut agieren. Auch mit unserem Nervensystem steht das Mikrobiom in engem Austausch: Über die sogenannte Darm-Hirn-Achse werden Botenstoffe wie Serotonin oder GABA produziert, die unsere Stimmung, Konzentration und den Schlaf beeinflussen. Außerdem reguliert das Mikrobiom den Stoffwechsel, wirkt auf Blutzuckerspiegel, Fetteinlagerung und spielt eine Rolle bei Erkrankungen wie Adipositas oder Diabetes Typ 2.

Darmgesundheit und Nerven – wie passt das zusammen?

Der Darm ist nicht nur ein Verdauungsorgan, sondern wird oft als zweites Gehirn bezeichnet. Er besitzt ein eigenes Nervensystem – das enterische Nervensystem (ENS) – mit rund 100 Millionen Nervenzellen. Diese stehen über den Vagusnerv, Botenstoffe und Immunfaktoren in engem Kontakt mit dem zentralen Nervensystem (ZNS). Studien zeigen, dass eine gestörte Mikrobiota-Zusammensetzung, eine sogenannte Dysbiose, zu chronischen Entzündungen beitragen und die Schmerzverarbeitung beeinflussen kann. Bei Menschen mit Polyneuropathie wurden veränderte Mikrobiota-Profile festgestellt (z. B. Liu et al., 2022, Frontiers in Neurology). Auch für Restless Legs gibt es erste Hinweise, dass eine Dysbiose den Dopaminstoffwechsel mit beeinflussen könnte – und damit ein Trigger für Symptome sein kann. Das erklärt, warum sich eine Umstellung der Ernährung, eine Darmsanierung oder auch eine probiotische Therapie bei vielen unserer Leser:innen positiv auf Nervenschmerzen, Schlaf und Stimmung ausgewirkt hat.

Was bringt das Mikrobiom aus dem Gleichgewicht?

Ein gesundes Mikrobiom ist robust – aber nicht unbesiegbar. Problematisch wird es, wenn mehrere ungünstige Faktoren zusammenkommen: Eine einseitige Ernährung mit wenig Ballaststoffen, dafür viel Zucker, Alkohol oder stark verarbeiteten Lebensmitteln. Auch Medikamente wie Antibiotika und bestimmte Schmerzmittel können die Bakterienvielfalt deutlich reduzieren – sie töten nicht nur „böse“, sondern auch nützliche Keime ab. Neben Antibiotika gelten insbesondere Protonenpumpenhemmer (z. B. Omeprazol, Pantoprazol), nicht-steroidale Antirheumatika (NSAR wie Ibuprofen), Kortisonpräparate sowie einige Psychopharmaka als Medikamente mit negativem Einfluss auf die Mikrobiota. Auch künstliche Süßstoffe wie Sucralose oder Aspartam stehen im Verdacht, die Zusammensetzung der Darmflora zu verändern – auch wenn hier noch weitere Studien zur genauen Wirkung nötig sind. Chronischer Stress ist ein weiterer Risikofaktor, denn er beeinflusst sowohl das Immunsystem als auch die Zusammensetzung der Darmflora. Auch hormonelle Umstellungen, Infekte oder chronisch-entzündliche Darmerkrankungen können das Gleichgewicht stören.

Wie merkt man, dass das Mikrobiom gestört ist?

Weil das Mikrobiom so viele Bereiche beeinflusst, sind die Anzeichen einer Dysbalance oft unspezifisch – typische Symptome sind Blähungen, Verstopfung, Durchfall oder ein dauerhaftes Völlegefühl. Aber auch Konzentrationsprobleme, Reizbarkeit, Schlafstörungen oder Stimmungstiefs können Hinweise sein. Häufig berichten Betroffene auch über erhöhte Infektanfälligkeit, Hautprobleme oder Gewichtszunahme trotz gleichbleibender Ernährung. Diese Beschwerden können auf ein Ungleichgewicht hinweisen – müssen es aber nicht. Um Klarheit zu bekommen, kann eine Mikrobiomanalyse sinnvoll sein, dazu mehr in Teil 4 unserer Serie. In Teil 2 werfen wir zudem einen genaueren Blick auf mögliche Symptome und erklären, wie du deinen Verdacht durch gezielte Beobachtung und erste Maßnahmen untermauern kannst.

Fazit: Dein Bauch spricht mit dir – hör gut hin

Das Mikrobiom ist ein faszinierendes System, das weit mehr kann, als Nahrung zu verdauen. Es spricht mit deinem Immunsystem, beeinflusst deine Stimmung – und kann bei Erkrankungen wie PNP, RLS oder rheumatischen Beschwerden eine stille, aber zentrale Rolle spielen. Die gute Nachricht: Das Mikrobiom ist zwar sensibel, aber auch erstaunlich regenerationsfähig – wenn du es richtig fütterst. Schon kleine Veränderungen im Alltag – mehr Gemüse, mehr Ballaststoffe, weniger Stress – können dein inneres Ökosystem spürbar stärken.

In den nächsten Teilen unserer Serie erfährst du, wie du dein Mikrobiom gezielt unterstützen kannst, worauf es bei der Ernährung ankommt, welche Bakterien besonders wichtig sind und wie eine Mikrobiomanalyse helfen kann, deinen Beschwerden auf die Spur zu kommen.

WAAR MOETEN WE IN ONS VOLGENDE BERICHT OVER SCHRIJVEN?

Schrijf ons je wensen en suggesties voor ons volgende blogartikel.

CONTACT NU